FORSCHUNG

Obgleich vielfach kaum sichtbar, wächst der Einfluss der Mathematik auf praktisch jedem Zweig der Wissenschaft und Wirtschaft mit hohem Tempo. Dies ist zweifelsohne zu einem großen Teil durch die ebenso schnell zunehmende Leistungsfähigkeit der Computer bedingt. Dennoch wird die "Gier" der Wissenschaftler nach immer anspruchsvolleren Simulationen, besseren bzw. realistischeren und daher komplexeren Modellen die vorhandenen Rechenkapazitäten immer übersteigen. Dieser Herausforderung des modernen Höchstleistungsrechnens kann man sich nur in interdisziplinärer Zusammenarbeit stellen. Die Entwicklung neuer mathematischer Konzepte, diese Herausforderung zu meistern, bildet die Grundrichtung der verschiedenen Forschungsaktivitäten des IGPM.

Die Entwicklung und Analyse von numerischen Verfahren zusammen mit ihren relevanten theoretischen Grundlagen für ein möglichst breites Spektrum von Problem-Klassen ist daher eine Hauptforschungsrichtung am IGPM. Es lassen sich zwei wesentliche - ihrer Natur nach gegensätzliche - Paradigmen unterscheiden, die unserer Ansicht nach gleich bedeutend sind.

Allgemeine numerische Werkzeuge - der "Blackbox"-Ansatz

Das erste Paradigma ist die Suche nach numerischen Werkzeugen, die auf eine möglichst große Klasse konkreter Probleme - nahezu unabhängig vom speziellen Problem - anwendbar sind. Der Bedarf an solchen Werkzeugen, insbesondere für industrielle Anwendungen, ist offensichtlich. Beispiele für Aktivitäten am IGPM in dieser Richtung sind die Entwicklung von algebraischen Mehrgittermethoden zur Lösung diskretisierter partieller Differentialgleichungen und Gittergenerierungstechniken für Strömungsprobleme.

Hochspezialisierte Werkzeuge

Das zweite Paradigma bzw. die zweite Forschungsrichtung ist in gewissem Sinne orthogonal, nämlich so viel Information wie nur irgend möglich aus dem zugrundeliegenden Problem zur Lösung auszunutzen. Ein primäres Beispiel stellen adaptive Lösungstechniken dar. Insbesondere haben jüngste Wavelet-Konzepte durch enge Verflechtung der Diskretisierung mit dem Lösungsprozess neue Perspektiven eröffnet. Dies zielt darauf, die gewünschte Genauigkeit mit so wenig wie möglich Freiheitsgraden zu erreichen und dabei die Speicher- und Rechenkomplexität proportional zu dieser minimalen Problemgröße zu halten. Ein zweites Beispiel sind Mehrgitter-Techniken, die die Hierarchie der unterliegenden Gitter ausnutzen, um eine diskretisierte partielle Differentialgleichung mit optimaler Effizienz zu lösen.

Analyse

Die Entwicklung von Lösungskonzepten ist eng verknüpft mit der Analyse der entsprechenden Problemklassen. Korrektgestelltheit solcher Probleme ist ein zentrales Thema, das im Kontext von Strömungs-Struktur-Wechselwirkungen untersucht wird. Angesichts verschiedener interdisziplinärer Projekte mit Partnern aus den Ingenieurwissenschaften sind hyperbolische Erhaltungsgleichungen von besonderer Bedeutung. Unsere Forschung umfasst die Konvergenzanalyse von Finite-Volumen-Lösern für skalare Gleichungen, die Entwicklung neuer Upwind- und Zentrale-Differenzen-Schemata sowie neuer echt multivariater Schemata für Systeme von Erhaltungsgleichungen und reicht bis zur Entwicklung und Implementierung neuer adaptiver wavelet-basierter Techniken, die in Verbindung mit geeigneten Gittergenerierungskonzepten in einen neuartigen Strömungslöser integriert werden.

Adaptive Mehrgitterverfahren - basierend auf der Kombination von adaptiven Finite-Elemente-Diskretisierungen mit schnellen Mehrgitterlösern - werden im Kontext der (Navier-)Stokes-Gleichungen analysiert und angewendet.

Effiziente Verarbeitung von Geometriedaten ist in vielen Simulationsaufgaben noch immer ein Flaschenhals. Neue, auf Abbildungen basierende Techniken, sind speziell auf die Bedürfnisse adaptiver Löser zugeschnitten, mit dem Ziel, die Gitter durch nur wenige Parameter zu kodieren bzw. kontrollieren. Hierfür werden Techniken aus dem Computer Aided Geometric Design (CAGD) eingesetzt.

Die Konstruktion von adaptiven Tetraeder-Gittern ist ein schwieriges Unterfangen. Grundlegende theoretische Ergebnisse wurden in diesem Gebiet erzielt.

Implementierung und Anwendung

Die theoretischen Untersuchungen werden begleitet durch die Entwicklung geeigneter Datenstrukturen und Pilot-Implementierungen, um zunächst an Modellproblemen die Performance der neuen algorithmischen Ingredienzien quantitativ zu validieren. Schließlich ist das Übertragen von fundamentalen Lösungskonzepten in konkrete Anwendungen ein wesentliches Ziel der Forschung, die am IGPM betrieben wird. Dies spiegelt sich in verschiedenen interdisziplinären Projekten mit Partnern aus den Ingenieurwissenschaften hier in Aachen wieder.