"Untersuchungen zur Auswahl von Lehrinhalten des Faches Darstellende Geometrie für die Hochschulausbildung zum Architekten"

Expose zur Dissertation
Die Darstellende Geometrie ist eine angewandte mathematische Disziplin, die sich mittels zeichnerischer Methoden zum einen mit der praktischen Durchführung des Prozesses der Darstellung und zum anderen mit der Analyse und Erzeugung von Objekten im dreidimensionalen Raum beschäftigt. Durch die Reduzierung des Anteils dieses Faches am Gesamtumfang der Unterrichtsstunden in der Architektenausbildung ist es nicht mehr möglich, die Darstellende Geometrie auch nur annähernd in ihrer ganzen Breite zu vermitteln. Als Beitrag zu der Entwicklung eines Curriculums ,,Darstellende Geometrie für Architekten" wird daher in der eingereichten Arbeit untersucht, welche geometrischen Themen in der Berufspraxis des Architekten tatsächlich Anwendung finden und welche Inhalte direkt oder indirekt dazu beitragen, daß der Student Fähigkeiten entwickelt, die als Grundlage der späteren Arbeitspraxis gelten. Für die Ermittlung der Themen und Methoden aus dem Kanon der Darstellenden Geometrie, die für Architekten besonders relevant sind, werden
  1. die Bedeutung der Abbildungsarten für Architekturzeichnungen geklärt und
  2. die Verwendung räumlicher Gebilde im Arbeitsbereich des Architekten
untersucht.

zu 1.:
Es wird bestätigt, daß die Darstellende Geometrie einen wesentlichen Beitrag zur maßgerechten Festlegung von architektonischen Entwürfen in Grundrissen, Ansichten und Schnitten (Zwei- bzw. Mehrtafelprojektion) liefert, und gezeigt, daß alle an den Architekten herangetragenen Aufgaben der räumlichen Geometrie mit der Lösung von elf Grundaufgaben zu bewältigen sind. Der Behandlung dieser Themen sollte daher innerhalb der Veranstaltung ein erheblicher Stellenwert zukommen. Ferner werden die vier für die anschauliche Bildwirkung günstigsten Abbildungsarten ermittelt: Für den Achitekten sind die Schräge Parallelprojektion auf eine horizontale Bildebene (,,Isometrie") und die Zentralprojektion auf eine vertikale Bildebene (,,Perspektive") besonders relevant und somit in der Lehre gründlich zu behandeln. Sinnvollerweise sollten außerdem die Senkrechte Parallelprojektion auf eine geneigte Bildebene (,,Axonometrie") und die Zentralprojektion auf eine zu einer Fassadenebene parallele Bildebene (,,Zentralperspektive") berücksichtigt werden; die Axonometrie kann mit dem in der Dissertation entwickelten ,,Kopierverfahren" aus einer ,,Isometrie" erzeugt werden.
Um die zeichnerischen Konstruktionsmethoden für den Architekten möglichst prägnant und einfach gestalten zu können, wird ein für alle Abbildungsarten einheitliches Konstruktionsverfahren ( das allgemeine Aufbauverfahren) entwickelt, mit dem mit minimalen Mitteln jedes Objekt abgebildet werden kann. Ferner werden ergänzende Elemente erarbeitet, die u.U. erhebliche Arbeitserleichterungen ermöglichen. Da die Anschaulichkeit von Architekturzeichnungen durch Schattendarstellungen gesteigert werden kann, sollten die entsprechenden geometrischen Grundüberlegungen in der Lehre vorgestellt werden; die Schattenkonstruktionen selbst lassen sich jedoch durch Lösung der bereits erwähnten Grundaufgaben durchführen. Spiegelungen und die Einfügung von Architekturzeichnungen in Fotografien sind in der Berufspraxis des Architekten nicht unbedingt erforderlich; lediglich für einige triviale Sonderfälle lohnen sich kurze Hinweise am Rande der Pflichtveranstaltung. Der Beitrag der Geometrie zur Steigerung der Anschaulichkeit von Architekturzeichnungen durch die Darstellung von Menschen und Bäumen beschränkt sich auf die Abbildung von Strecken und Kugeln.

zu 2.:
Vielflache bilden die Gruppe der für den Architekten wichtigsten Raumelemente; für ihre Behandlung sind wieder lediglich die Grundaufgaben (s.o.) zu beherrschen. Unter den gekrümmten Flächen finden am häufigsten gerade Kreiszylinder als architektonische Elemente Verwendung; daher sollten dem Architekturstudenten die zum Einsatz dieser Flächen nötigen Kenntnisse gründlich vermittelt werden. Die Behandlung von allgemeinen Zylindern, Kreiskegeln und Kugeln kann kürzer gefaßt werden. Weitere Flächen (z.b. hyperbolische Paraboloide und Wendelflächen) können im Rahmen einer Pflichtveranstaltung nur in aller Kürze berücksichtigt werden; ihre Behandlung sollte einer weiterführenden Veranstaltung vorbehalten bleiben. Durchdringungen gekrümmter Flächen werden in der Architektur höchst selten vorgesehen. Da aber schon zwei gerade Kreiszylinder eine Durchdringungskurve erzeugen können, die nicht eben ist, sollte der Architekturstudent wenigstens über die grundlegenden Prinzipien zur Lösung von Durchdringungsaufgaben informiert werden

Mit dieser Auswahl der Lehrinhalte ist die Voraussetzung dafür geschaffen, daß der Architekturstudent im Beruf auftretende geometrische Probleme lösen und sich bei Bedarf in spezielle geometrische Aufgabenstellungen gezielt einarbeiten kann. Die Ergebnisse dieser Untersuchung können bei der Entwicklung eines Hochschulcurriculums für den Studiengang Architektur verwendet werden und liefern die Basis, um die Integration der Lehrveranstaltung ,,Darstellende Geometrie" in den Fächerkanon der Architektenausbildung zu vereinfachen.